Liederabend

Sehnsucht

Franz Schubert

Ausgewählte Lieder

Manuel Walser - Bariton

Claire Pasquier - Klavier

Tonhalle St. Gallen, 20. Januar 2026, 19:30 Uhr

Programm

  • Der Wanderer an den Mond D 870

  • Abendstern D 806

  • Die Taubenpost D 957/14

  • Du bist die Ruh D 776

  • Bei dir allein D 866/2

  • Des Fischers Liebesglück D 933

  • Aufenthalt D 957/5

  • Auf der Bruck D 853

  • Frühlingsglaube D 686

  • Im Walde D 708

  • Im Abendrot D 799

  • Der Zwerg D 771

  • Nachtstück D 672

  • Totengräbers Heimweh D 842

Du bist die Ruh,
Der Friede mild,
Die Sehnsucht du,
Und was sie stillt.
— Friedrich Rückert
Sie heißt - die Sehnsucht! Kennt ihr sie? -
Die Botin treuen Sinns.
— Johann Gabriel Seidl
 

Sehnsucht

Dramaturgie, Lied- und Gedichtwahl, Manuel Walser

Der Wanderer an den mond

Ich auf der Erd’, am Himmel du,
Wir wandern beide rüstig zu: -
Ich ernst und trüb, du mild und rein,
Was mag der Unterschied wohl sein?

Ich wandre fremd von Land zu Land,
So heimatlos, so unbekannt;
Bergauf, bergab, waldein, waldaus,
Doch bin ich nirgend - ach! - zu Haus.

Du aber wanderst auf und ab
Aus Ostens Wieg’ in Westens Grab, -
Wallst länderein und länderaus,
Und bist doch, wo du bist, zu Haus.

Der Himmel, endlos ausgespannt,
Ist dein geliebtes Heimatland:
O glücklich, wer wohin er geht,
Doch auf der Heimat Boden steht!
— Johann Gabriel Seidl (1804 - 1875), Der Wanderer an den Mond, D 870, Franz Schubert (1797-1828) 1826 komponiert
 

Abendstern

Was weilst du einsam an dem Himmel,
O schöner Stern? und bist so mild;
Warum entfernt das funkelnde Gewimmel
Der Brüder sich von deinem Bild?
”Ich bin der Liebe treuer Stern,
Sie halten sich von Liebe fern.”

So solltest du zu ihnen gehen,
Bist du der Liebe, zaudre nicht!
Wer möchte denn dir widerstehen?
Du süßes eigensinnig Licht.
”Ich säe, schaue keinen Keim,
Und bleibe trauernd still daheim.”
— Johann Mayrhofer (1787 - 1836) D 806, Franz Schubert (1797 - 1828) März 1824 komponiert
 

Die Taubenpost

Ich hab’ eine Brieftaub’ in meinem Sold,
Die ist gar ergeben und treu,
Sie nimmt mir nie das Ziel zu kurz,
Und fliegt auch nie vorbei.

Ich sende sie vieltausendmal
Auf Kundschaft täglich hinaus,
Vorbei an manchem lieben Ort,
Bis zu der Liebsten Haus.

Dort schaut sie zum Fenster heimlich hinein,
Belauscht ihren Blick und Schritt,
Gibt meine Grüße scherzend ab
Und nimmt die ihren mit.

Kein Briefchen brauch’ ich zu schreiben mehr,
Die Träne selbst geb’ ich ihr:
O sie verträgt sie sicher nicht,
Gar eifrig dient sie mir.

Bei Tag, bei Nacht, im Wachen, im Traum,
Ihr gilt das alles gleich:
Wenn sie nur wandern, wandern kann,
Dann ist sie überreich!

Sie wird nicht müd, sie wird nicht matt,
Der Weg ist stets ihr neu;
Sie braucht nicht Lockung, braucht nicht Lohn,
Die Taub’ ist so mir treu!

Drum heg’ ich sie auch so treu an der Brust,
Versichert des schönsten Gewinns;
Sie heißt - die Sehnsucht! Kennt ihr sie? -
Die Botin treuen Sinns.
— Johann Gabriel Seidl (1804 - 1875), Die Taubenpost, D 957/14, Franz Schubert (1797 - 1828) 1828 komponiert
 

Du bist die Ruh

Du bist die Ruh,
Der Friede mild,
Die Sehnsucht du,
Und was sie stillt.

Ich weihe dir
Voll Lust und Schmerz
Zur Wohnung hier
Mein Aug’ und Herz.

Kehr’ ein bei mir,
Und schließe du
Still hinter dir
Die Pforten zu.

Treib andern Schmerz
Aus dieser Brust.
Voll sei dies Herz
Von deiner Lust.

Dies Augenzelt
Von deinem Glanz
Allein erhellt,
O füll’ es ganz.
— Friedrich Rückert (1788-1866), Du bist die Ruh, D 776, Franz Schubert (1797 - 1828) 1823 komponiert
 
 

Bei dir allein!

Bei dir allein empfind’ ich, dass ich lebe,
Dass Jugendmut mich schwellt
Dass eine heit’re Welt
Der Liebe mich durchbebe;
Mich freut mein Sein
Bei dir allein!

Bei dir allein weht mir die Luft so labend,
Dünkt mich die Flur so grün,
So mild des Lenzes Blüh’n,
So balsamreich der Abend,
So kühl der Hain,
Bei dir allein!

Bei dir allein verliert der Schmerz sein Herbes,
Gewinnt die Freud an Lust!
Du sicherst meine Brust
Des angestammten Erbes;
Ich fühl’ mich mein
Bei dir allein!
— Johann Gabriel Seidl (1804 - 1875), Bei dir allein!, D 866/2, Franz Schubert (1797 - 1828) 1827 komponiert

Des Fischers Liebesglück

Dort blinket
Durch Weiden,
Und winket
Ein Schimmer
Blassstrahlig
Vom Zimmer
Der Holden mir zu.

Es gaukelt
Wie Irrlicht,
Und schaukelt
Sich leise
Sein Abglanz
Im Kreise
Des schwankenden Sees.

Ich schaue
Mit Sehnen
In’s Blaue
Der Wellen,
Und grüße
Den hellen,
Gespiegelten Strahl.

Und springe
Zum Ruder,
Und schwinge
Den Nachen
Dahin auf
Dem flachen,
Kristallenen Weg.

Fein-Liebchen
Schleicht traulich
Vom Stübchen
Herunter,
Und sputet
Sich munter
Zu mir in das Boot.

Gelinde
Dann treiben
Die Winde
Uns wieder
See-einwärts
Vom Flieder
Des Ufers hindann.

Die blassen
Nachtnebel
Umfassen
Mit Hüllen
Vor Spähern
Den stillen,
Unschuldigen Scherz.

Und tauschen
Wir Küsse,
So rauschen
Die Wellen
Im Sinken
Und Schwellen,
Den Horchern zum Trotz.

Nur Sterne
Belauschen
Uns ferne,
Und baden
Tief unter
Den Pfaden
Des gleitenden Kahns.

So schweben
Wir selig,
Umgeben
Vom Dunkel,
Hoch überm
Gefunkel
Der Sterne einher.

Und weinen
Und lächeln,
Und meinen,
Enthoben
Der Erde,
Schon oben,
Schon drüben zu sein.
— Karl Gottfried von Leitner (1800 - 1890), Des Fischers Liebesglück, D 933, Franz Schubert (1797 - 1828) November 1827 komponiert

Aufenthalt

Rauschender Strom,
Brausender Wald,
Starrender Fels
Mein Aufenthalt.

Wie sich die Welle
An Welle reiht,
Fließen die Thränen
Mir ewig erneut.

Hoch in den Kronen
Wogend sich’s regt,
So unaufhörlich
Mein Herze schlägt.

Und wie des Felsen
Uraltes Erz,
Ewig derselbe
Bleibet mein Schmerz.

Rauschender Strom,
Brausender Wald,
Starrender Fels
Mein Aufenthalt.
— Ludwig Rellstab (1799 - 1860), Aufenthalt, D 957/5, Franz Schubert (1797 - 1828) 1828 komponiert

Auf der Bruck

Frisch trabe sonder Ruh’ und Rast,
Mein gutes Roß, durch Nacht und Regen!
Was scheust du dich vor Busch und Ast
Und strauchelst auf den wilden Wegen?
Dehnt auch der Wald sich tief und dicht,
Doch muß er endlich sich erschließen,
Und freundlich wird ein fernes Licht
Uns aus dem dunkeln Tale grüßen.

Wohl könnt’ ich über Berg und Feld
Auf deinem schlanken Rücken fliegen
Und mich am bunten Spiel der Welt,
An holden Bildern mich vergnügen;
Manch Auge lacht mir traulich zu
Und beut mir Frieden, Lieb’ und Freude,
Und dennoch eil’ ich ohne Ruh,
Zurück, zurück zu meinem Leide.

Denn schon drei Tage war ich fern
Von ihr, die ewig mich gebunden;
Drei Tage waren Sonn’ und Stern
Und Erd’ und Himmel mir verschwunden.
Von Lust und Leiden, die mein Herz
Bei ihr bald heilten, bald zerrissen,
Fühlt’ ich drei Tage nur den Schmerz,
Und ach, die Freude musst’ ich missen!

Drum trabe mutig durch die Nacht!
Und schwinden auch die dunkeln Bahnen,
Der Sehnsucht helles Auge wacht,
Und sicher führt mich süßes Ahnen.
Weit sehn wir über Land und See
Zur wärmern Flur den Vogel fliegen;
Wie sollte denn die Liebe je
In ihrem Pfade sich betrügen?
— Ernst Konrad Friedrich Schulze (1789 - 1817), Auf der Bruck, D 853, Franz Schubert (1797 - 1828) 1825-27 komponiert

Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal.
Nun armes Herz, vergiss der Qual!
Nun muss sich Alles, Alles wenden.
— Johann Ludwig Uhland (1787 - 1862), Frühlingsglaube, D 686, Franz Schubert (1797 - 1828) 1820-22 komponiert

Im Walde

Windes Rauschen, Gottes Flügel,
Tief in kühler Waldesnacht;
Wie der Held in Rosses Bügel,
Schwingt sich des Gedankens Macht.
Wie die alten Tannen sausen,
Hört man Geistes Wogen brausen.

Herrlich ist der Flamme Leuchten
In des Morgenglanzes Rot,
Oder die das Feld beleuchten,
Blitze, schwanger oft von Tod.
Rasch die Flamme zuckt und lodert,
Wie zu Gott hinaufgefodert.

Ewig’s Rauschen sanfter Quellen
Zaubert Blumen aus dem Schmerz,
Trauer doch in linden Wellen
Schlägt uns lockend an das Herz;
Fernab hin der Geist gezogen,
Die uns locken, durch die Wogen.

Drang des Lebens aus der Hülle,
Kampf der starken Triebe wild,
Wird zur schönsten Liebesfülle,
Durch des Geistes Hauch gestillt.
Schöpferischer Lüfte Wehen
Fühlt man durch die Seele gehen.

Windes Rauschen, Gottes Flügel,
Tief in dunkler Waldesnacht,
Frei gegeben alle Zügel
Schwingt sich des Gedankens Macht,
Hört in Lüften ohne Grausen
Den Gesang der Geister brausen.
— Friedrich Schlegel (1772 - 1829), Im Walde, D 708, Franz Schubert (1797 - 1828) Dezember 1820 komponiert

Im Abendrot

O wie schön ist deine Welt,
Vater, wenn sie golden strahlet!
Wenn dein Glanz herniederfällt,
Und den Staub mit Schimmer malet;
Wenn das Rot, das in der Wolke blinkt,
In mein stilles Fenster sinkt!

Könnt’ ich klagen, könnt’ ich zagen?
Irre sein an dir und mir?
Nein, ich will im Busen tragen
Deinen Himmel schon allhier.
Und dies Herz, eh’ es zusammenbricht,
Trinkt noch Glut und schlürft noch Licht.
— Karl Gottlieb Lappe (1773 - 1843), Im Abendrot, D 799, Franz Schubert (1797 - 1828) 1825-27 komponiert

Der Zwerg

Im trüben Licht verschwinden schon die Berge,
Es schwebt das Schiff auf glatten Meereswogen,
Worin die Königin mit ihrem Zwerge.

Sie schaut empor zum hochgewölbten Bogen,
Hinauf zur lichtdurchwirkten blauen Ferne,
Die mit der Milch des Himmels blass durchzogen.

Ihr habt mir nie gelogen noch, ihr Sterne,
So ruft sie aus, bald werd’ ich nun entschwinden,
Ihr sagt es mir, doch sterb’ ich wahrlich gerne.

Da geht der Zwerg zur Königin, mag binden
Um ihren Hals die Schnur von roter Seide,
Und weint, als wollt vor Gram er schnell erblinden.

Er spricht: Du selbst bist schuld an diesem Leide,
Weil um den König du mich hast verlassen,
Nun weckt dein Sterben einzig mir noch Freude.

Doch werd’ ich ewiglich mich selber hassen,
Der dir mit dieser Hand den Tod gegeben,
Doch musst zum frühen Grab du nun erblassen.

Sie legt die Hand aufs Herz voll jungem Leben,
Und aus dem Aug’ die schweren Tränen rinnen,
Das sie zum Himmel betend will erheben.

Mögst du nicht Schmerz durch meinen Tod gewinnen!
Sie sagt’s, da küsst der Zwerg die bleichen Wangen,
Doch alsobald vergehen ihr die Sinnen.

Der Zwerg schaut an die Frau vom Tod befangen,
Er senkt sie tief ins Meer mit eignen Handen,
Ihm brennt nach ihr das Herz’ so voll Verlangen.
An keiner Küste wird er je mehr landen.
— Matthäus Kasimir von Collin (1779 - 1824), Der Zwerg, D 771, Franz Schubert (1797 - 1828) 1823 komponiert

Nachtstück

Wenn über Berge sich der Nebel breitet,
Und Luna mit Gewölken kämpft,
So nimmt der Alte seine Harfe, und schreitet,
Und singt waldeinwärts und gedämpft:
“Du heil’ge Nacht!
Bald ist’s vollbracht.
Bald schlaf ich ihn
Den langen Schlummer,
Der mich erlöst
Von allem Kummer.”
Die grünen Bäume rauschen dann,
Schlaf süß du guter alter Mann;
Die Gräser lispeln wankend fort,
Wir decken seinen Ruheort;
Und mancher liebe Vogel ruft,
O lasst ihn ruh’n in Rasengruft! -

Der Alte horcht, der Alte schweigt -
Der Tod hat sich zu ihm geneigt.
— Johann Mayrhofer (1787 - 1836), Nachtstück, D 672, Franz Schubert (1797 - 1828) 1817 komponiert

Totengräbers Heimweh

O Menschheit - o Leben! -
Was soll’s - o was soll’s?!
Grabe aus - scharre zu!
Tag und Nacht keine Ruh! -
Das Treiben, das Drängen -
Wohin! - o wohin?! - -
»Ins Grab - tief hinab!« -

O Schicksal - o traurige Pflicht -
Ich trag’s länger nicht! -
Wann wirst du mir schlagen,
O Stunde der Ruh?! -
O Tod! komm und drücke
Die Augen mir zu! - -
Im Leben, da ist’s ach so schwül! -
Im Grabe - so friedlich, so kühl!
Doch ach, wer legt mich hinein? -
Ich stehe allein! - so ganz allein!! -

Von allen verlassen
Dem Tod nur verwandt,
Verweil’ ich am Rande -
Das Kreuz in der Hand,
Und starre mit sehnendem Blick,
Hinab - ins tiefe Grab! -

O Heimat des Friedens,
Der Seligen Land!
An dich knüpft die Seele
Ein magisches Band. -
Du winkst mir von ferne
Du ewiges Licht: -
Es schwinden die Sterne -
Das Auge schon bricht! - -
Ich sinke - ich sinke! - Ihr Lieben -
Ich komme! - - -
— Jacob Nicolaus Craigher de Jachuletta (1797 - 1855), Totengräbers Heimweh, D 842, Franz Schubert (1797 - 1828) 1825 komponiert